top of page
AutorenbildHeike Birn

Braucht meine Maschine eine Zuhaltung?

Aktualisiert: 21. Okt. 2022

Die kurze Antwort finden Sie unter:


Da diese oft nicht reicht, kommt hier die längere:

Ob Ihre Maschine eine Zuhaltung braucht ist vom Nachlauf der Maschine abhängig.

Aber lassen Sie uns erst noch einen Schritt zurück gehen, damit wir alle vom selben sprechen. Die Norm spricht von Verriegelung oder Verriegelung mit Zuhaltung.

Eine Verriegelung hat nichts mit einem Riegel zu tun. Es ist ein durch die Steuerung abgefragter Sicherheitsschalter, der einen Stopp der Maschine auslöst, sobald die Schutzhaube oder die Schutztür geöffnet wird.


Eine Verriegelung mit Zuhaltung ist ein Sicherheitsschalter, der die Schutzhaube oder Schutztür so lange zu hält bis alle gefahrbringenden Bewegungen der Maschine zum Stillstand gekommen sind – oder genauer bis alle gefahrbringenden Maschinenfunktionen beendet sind. (Mir ist das bis jetzt nur für Bewegungen untergekommen, da wäre ich mal wieder dankbar für ein schönes Beispiel, bei dem es um eine andere Maschinenfunktion geht.)


Nehmen wir also eine konkrete Maschine. Das ist eine Verteilmaschine. Die gefährliche Bewegung ist im Schwenkband, dass sich je nachdem wohin die Artikel laufen sollen nach oben oder unten bewegt. Es geht also darum, wie schnell diese Bewegung stoppt, wenn ich die Schutztür öffne. Praktisch bleibt in dem Fall die ganze Maschine stehen.






Frage ist nun, brauche ich eine Zuhaltung?


Ich brauche immer dann keine Zuhaltung, wenn die Zeit, die ich brauche, um an die Gefahrenstelle zu kommen größer ist als die Zeit, die die gefahrbringende Bewegung der Maschine braucht, um zum Stillstand zu kommen.

Und wie schnell ich an die Gefahrenstelle komme, ist davon abhängig, wie schnell ich mich bewegen kann und davon, wie weit die Kante der Schutztür, die ich ja erstmal öffnen muss, von der Gefahrenstelle entfernt ist.


Dementsprechend gibt die Norm hierzu die folgende Formel an, mit der der Abstand der Kante der Schutzhaube oder -tür zur Gefahrenstelle bestimmt wird:

S = K x T

Dabei ist S der Abstand der nächstgelegenen Kante der Schutztür zur Gefahrenstelle und K die Annäherungsgeschwindigkeit. Diese ist in der Norm mit 1600 mm/s festgelegt.

T ist der Nachlaufzeit des gesamten Systems.

Was gehört alles zur Nachlaufzeit? Da wäre zuerst die Auslösezeit der Schutzeinrichtung – der Ausschaltverzug. Dann wäre da die Reaktionszeit der Auswerteeinheit, also z.B. der Sicherheitssteuerung. Und vor allem gehört hier die Anhaltezeit der Maschine dazu – also das was man üblicher Weise als Nachlauf bezeichnet.


Schauen wir mal, in welcher Größenordnung wir uns hier bewegen.

Zur Auslösezeit der Schutzeinrichtung habe ich bei SSP eine klare Aussage gefunden. Der Ausschaltverzug für marktübliche RFID-Sicherheitssensoren wird hier mit 260 ms angegeben. Klingt sehr gut, oder? Rechnen wir also damit den Abstand zur Gefahrenstelle aus.

S = 1600 mm/s * 260 ms

S = 416 mm

Es ergeben sich ca. 40 cm. Das klingt nicht schlecht.


Aber das ist nur die Ausschaltverzögerung. Die anderen beiden Teile müssen auch berücksichtigt werden. Nehmen wir hierfür mal 0,1 Sekunde an.

S = 1600 mm/s * (260+100) ms

S = 576 mm

Dann kommen wir schon auf ca. 60 cm. Aber welche Maschine hat nur 0,1s Nachlauf?


Wenn ich beim Kunden nach dem Nachlauf der Maschine frage, bekomme ich als erste Antwort meist, naja 1 Sekunde. Aber lassen Sie uns das mal für 1s Nachlauf rechnen.

S = 1600 mm/s * (260+1000) ms

S = 2,016 m

Da kommt ein Abstand von 2 m von der Kante der Schutzhaube zur Gefahrenstelle raus! Den hat man in den seltensten Fällen.


Die Norm gibt noch eine Möglichkeit, die Zeit zu verringern. Man kann die Öffnungszeit, die benötigt wird, um die Schutzhaube so weit zu öffnen, dass der Finger, die Hand bzw. der Arm durch die Öffnung passt, abziehen. Ist die Gefahrenstelle z.B. 20 cm von der Kante der Schutzhaube entfernt, so kann sie mit der Hand erreicht werden. Dazu muss die Haube laut Norm um mindestens 2 cm geöffnet werden. Die Zeit, welche dafür gebraucht wird, die Haube um 2 cm zu öffnen, darf von der Nachlaufzeit abgezogen werden. Aber wie groß ist diese Zeit? Darauf habe ich bis jetzt keine Antwort gefunden und diese Möglichkeit deshalb auch nicht nutzen können.


Da die Nachlaufzeit der Maschine auch von Parametern abhängen kann, die man softwaremäßig einstellt, gehe ich auch oft den umgekehrten Weg. Ich rechne mit meinem Kunden aus, welche Nachlaufzeit er sich noch ohne Zuhaltung leisten könnte. Dann kann er überlegen, ob er diese Zeiten ändern will.


Nehmen wir wieder unsere Verteilmaschine. Die gefährliche Bewegung ist die Auf- und Abbewegung des Schwenkbandes. Der Abstand zur Kante der Schutztür ist 70 cm. Wir setzen ein. Es ergibt sich eine Zeit für den Nachlauf des Gesamtsystems von 0,44 s. Das ist eng, denn schon der Abschaltverzug braucht davon 0,26 s. Hier könnte eine Lösung von SSP helfen, die nur 0,075 s braucht, aber auch dann ist es noch schwierig.


Dieser Kunde hatte mir stolz von einer Zuhaltung an der Maschine erzählte als ich mit ihm über den Nachlauf reden wollte.

Was hatte mein Kunde für einen Schalter angebaut? Es war ein Magnetschalter, der mit – ich glaube er sagte – 1kN die Tür zuhält. Die öffnet man nicht mal ausversehen oder nebenbei. Aber das ist nicht die Art Zuhaltung, die man zum Schutz von Personen braucht. Und als CE-Berater interessiert mich nur der Schutz von Personen. Zum Schutz von Personen braucht man eine Zuhaltung, die erst öffnet, wenn alle gefahrbringenden Maschinenfunktionen zum Stillstand gekommen sind. Das wird hier nirgends abgefragt oder wenigstens durch eine geeignete Zeitverzögerung berücksichtigt. Und wenn der Strom ausfällt und die Maschine austrudelt, geht die Tür sofort auf. Leider kennt die Norm auch diese Art Zuhaltung und das macht die Sache etwas verwirrend. Sie wird Prozesszuhaltung genannt. Aber es ist nicht das, was wir hier aus Sicht der Sicherheit brauchen. Wenn der Nachlauf der Maschine zu groß ist, braucht man eine Sicherheitszuhaltung. Die fragt ab, ob die Maschine zum Stillstand gekommen ist oder hat eine geeignete Zeitverzögerung und sie bleibt zu, wenn der Strom ausfällt.


Also machen Sie sich Gedanken über den Nachlauf ihrer Maschine und des Gesamtsystems und dann rechnen Sie aus, ob Sie eine Zuhaltung brauchen und wenn ja – kaufen Sie eine Sicherheitszuhaltung.


Außerdem ist wichtig für die Auswahl der Sicherheitsschalter:


Diesen Blogbeitrag gibt es auch als Video.




131 Ansichten0 Kommentare

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen

Comments


bottom of page