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AutorenbildHeike Birn

Abgebaute Schutzhauben und überbrückte Sicherheitsschalter – der Manipulationsanreiz

Aktualisiert: 16. Okt. 2022

Die kurze Antwort finden Sie unter:

Was tun, wenn der Manipulationsanreiz immer noch da ist?


Da diese oft nicht reicht, habe ich diesen Blogbeitrag geschrieben.


Die oft gestellte Frage ist, in wieweit der Maschinenbauer für abgebaute Schutzhauben und überbrückte Sicherheitsschalter verantwortlich ist.


Natürlich müssen Schutzeinrichtungen so konstruiert sein, dass sie nicht auf einfache Weise umgangen oder unwirksam gemacht werden können. Das ist Aufgabe der Hersteller von Sicherheitsschaltern und darauf, dass diese Arbeit ordentlich gemacht wurde, verlässt man sich als Konstrukteur. Aber darüber hinaus verlangt die Norm, dass der Anreiz für Manipulationen gering gehalten werden muss. Denn wenn die Schutzeinrichtung besonders arg stört, wird der Bediener viel intensiver nach einem Weg suchen, sie zu umgehen.


Und hier ist der Konstrukteur gefragt. Wenn das Umgehen oder Überbrücken der Schutzeinrichtung als vorhersehbare Fehlanwendung zu betrachten ist, muss sich der Konstrukteur darum kümmern.





Die Norm gibt hier eine Hilfestellung, welche Fragen sich der Konstrukteur für jede trennende Schutzeinrichtung, die er anbringt, stellen sollte:

Kann die Aufgabe ohne die Schutzeinrichtung

· leichter/bequemer

· schneller

· genauer

· mit weniger körperlicher Anstrengung

· mit größerer Bewegungsfreiheit

durchgeführt werden?

Ist der Produktionsablauf besser sichtbar oder hörbar, falls das für den Bediener oder das Wartungspersonal von Bedeutung ist?

Ermöglicht das Abbauen der Schutzeinrichtung höhere Flexibilität?


Diese Fragen können nur selten mit einem klaren Nein beantwortet werden. Aber ein klares Ja, zeigt hier den Manipulationsanreiz, um den sich der Konstrukteur kümmern muss.

Die Frage des Manipulationsanreizes führt deshalb zu so vielen Diskussionen, weil er nur in den wenigsten Fällen vollständig ausgeschlossen werden kann. Die Norm ist realistisch und verlangt dies auch nicht. Sie verlangt, dass der Manipulationsanreiz so weit wie möglich minimiert werden muss.


Schauen wir uns zwei Beispiele an:




Hier ist eine Verpackungsmaschine. Ich würde sagen, hier besteht im Automatikbetrieb kaum Manipulationsanreiz. Der Prozess des Verpackens ist vollautomatisch. Der Bediener muss nur Packmaterial nachlegen. Das passiert außerhalb der Verschutzung. Und in eine so schnell und kraftvoll laufende Maschine will sowieso keiner reingreifen.




Ganz anders sieht das bei diesem Lagerlift aus. . Hier muss man für jede Entnahme die Schutztür öffnen. Man muss erst die Schutzhaube öffnen, dann den Artikel entnehmen, dann die Schutztür wieder schließen und erst dann holt der Paternoster den nächsten Artikel. Da ist die Versuchung groß, das ständige nervige Öffnen und Schließen der Tür zu umgehen. Und noch dazu ist die Bewegung des Paternosters relativ langsam, man hätte keine Angst, in den offenen und sogar in den sich bewegenden Paternoster zu greifen – die Gefahr wird unterschätzt. Ich würde sagen, der Manipulationsanreiz ist hier ziemlich hoch.


Konstruktiv lässt er sich nicht vermeiden. Was also als nächstes tun?


Nachdem der mechanische Konstrukteur seine Möglichkeiten ausgeschöpft hat, nimmt die Norm jetzt den Elektrokonstrukteur in die Pflicht. Er soll nach geeigneten Betriebsarten suchen, um den Manipulationsanreiz zu minimieren. Denn was ich zu den Beispielmaschinen gesagt habe, ist ja nur die halbe Wahrheit. Natürlich reicht es nicht, den Manipulationsanreiz im Automatik-Betrieb auszuschließen. Er muss für alle Tätigkeiten an der Maschine ausgeschlossen werden, z.B. auch für die Reinigung und Fehlersuche. Die Verpackungsmaschine z.B. besitzt Bänder, die reinigen sich leichter, wenn sie sich bewegen. Bei der Fehlersuche besteht oft der höchste Manipulationsanreiz, weil die Schutzhaube dabei immer stört. Sie stört beim genauen Beobachten, beim Nachjustieren, bei allem. Aber gerade hier ist sie sehr wichtig, weil der Impuls in die bewegte Maschine zu greifen hier ziemlich stark ist.


Und so wie ich das jetzt aufgebaut habe, sehen Sie natürlich sofort die Lösung. Es müssen geeignete Betriebsarten an der Maschine eingerichtet werden.

Ein Tippbetrieb für die Fehlersuche bei geschlossener Haube würde helfen.

Bei manchen Maschinen ist ein Reinigungsmodus, bei dem die Bänder langsam laufen und alle anderen Bewegungen ausgeschaltet sind, denkbar.

Der Tick ist der übliche, geben Sie dem Bediener eine einfache und sinnvolle Funktion an die Hand, wie er seine Arbeit gut und effektiv ausführen kann, dann verringern Sie die Gefahr von gefährlichen Handlungen.


Um zu prüfen, ob mit den konstruktiven Überlegungen und den alternativer Betriebsarten alle Manipulationsanreize an der Maschine ausgeschlossen sind, bietet die Norm eine Arbeitsanleitung in Form einer Tabelle. Und ich würde Ihnen raten, diese zu nutzen. Ich finde Sie sehr nützlich.


Und erst im dritten Schritt, wenn sich aus dieser Prüfung immer noch Manipulationsanreize ergeben, kommt das, woran die meisten bei dem Thema zuerst denken, nämlich teure Maßnahmen gegen das Umgehen der Sicherheitsschalter.


Hierfür sieht die Norm eine der folgenden Maßnahmen vor:

· Sicherheitsschalter verdeckt oder außer Reichweite anbauen

· hochkodierte Sicherheitsschalter verwenden

· nichtlösbare Befestigungen beim Einbau der Sicherheitsschaltern verwenden oder

· Überwachung der Sicherheitsschalter durch die Steuerung


Also! Wie gehen Sie das Thema Manipulationsanreize nun am besten an?


Zuerst müssen Sie sich bewusst machen, dass das Thema Manipulationsanreiz auf ihrem Tisch liegt. Stellen Sie sich die Frage, welche Manipulationsanreize bestehen – und das für alle Tätigkeiten an der Maschine.


Und dann gehen Sie die folgenden 3 Schritte:

1. Manipulationsanreize durch konstruktive Veränderungen ausschließen wenn dann immer noch Manipulationsanreiz bestehen

2. Manipulationsanreize durch geeignete Betriebsarten ausschließen und wenn dann immer noch Manipulationsanreiz bestehen

3. Höher codierte Sicherheitsschalter verwenden oder besondere Vorkehrungen bezüglich der Sicherheitsschalter treffen


In vielen Betrieben sind die Punkte 1 und 2 schon vorbildlich bearbeitet. D. h. der Manipulationsanreiz ist schon minimiert. Das kann die Kosten für Punkt 3 sparen. Um das nachzuweisen, können Sie das Formular in der Norm verwenden. Holen Sie sich dazu die Tabelle aus der Norm oder kaufen Sie meine Normenrecherche. Zu meiner Normenrecherche bekommen Sie die Tabelle als fertiges Formular dazu, welches Sie nur noch ausfüllen müssen.


Meine Erfahrung sagt, der Aufwand lohnt sich, denn man kann sich dadurch in vielen Fällen die teuren hochcodierten Sicherheitsschalter sparen.



Wenn es Ihnen nur um die Tabelle geht, können Sie auch die kleine Normenrecherche nehmen: https://www.ce-beratung-dr-birn.de/product-page/wie-koennen-anreize-zum-umgehen-der-schutzeinrichtung-minimiert-werden


Sie können sich diesen Blogbeitrag auch als Video anschauen:



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