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AutorenbildHeike Birn

Was der Konstrukteur über die Risikobeurteilung wissen muss

Aktualisiert: 7. Mai 2023

Erstes Video der Serie "Risikobeurteilung für Konstrukteure"


Haben Sie in deinem Unternehmen einen CE-Beauftragten oder einen Maschinen-Sicherheitsexperten oder wie auch immer sich derjenige nennt, der die Risikobeurteilung schreibt? Viele mittelständige Maschinenbauunternehmen haben das und die großen natürlich sowieso. Warum sollen Sie also als Konstrukteur wissen, wie das geht?

Um es gleich vorwegzunehmen. Sie sollen nicht in Zukunft die Risikobeurteilung selbst schreiben, aber Sie sollen wissen, was ihr Kollege, der sie schreibt, da genau tut. Und warum ist das wichtig?


Weil die Sache in den meisten Unternehmen nicht ganz so läuft, wie sie soll.

In den meisten Unternehmen, die ich kenne, läuft das folgender Maßen:



Die mechanische Konstruktion konstruiert die neue Maschine auf der Grundlage einer der Vorgängermaschinen. Mehr oder weniger Dinge sollen auf Kundenwunsch verändert werden. Vielleicht muss sogar eine neue Funktion eingebaut werden. Der mechanische Konstrukteur sitzt am CAD und kümmert sich um die Funktionalität der Maschine. Dabei geht er so vor, wie es allgemein üblich ist und hält dadurch die Sicherheitsvorschriften meist ein. Wo es ihm nötig erscheint, macht er eine Verschutzung dran.


Wenn er fertig ist, kommt der Elektrokonstrukteur dran und macht die Maschine elektrisch funktionsfähig. Und er muss sich um die beweglichen Schutzvorrichtungen kümmern. Genauer um die Schutzschalter und die Sicherheitskreise. Das macht er so wie er denkt.

Und als letztes kommt der CE-Beauftragte. Er schreibt für das fertige Produkt eine Risikobeurteilung und da die meisten Maschinen Performace-Level d haben, kriegt man das schon hin.


Das ist jetzt stark übertrieben dargestellt. Aber in der Übertreibung sieht man besonders gut was fehlt. Es fehlt die Kommunikation. Und nur mit viel Glück kommt dabei das richtige raus. Um diese Kommunikation zu ermöglichen müssen Sie als Konstrukteur wissen, wie man eine Risikobeurteilung schreibt. Deshalb reicht es nicht, wenn das nur ihr CE-Beauftragter weiß.

Und laut Maschinenrichtlinie – und die hat für uns Gesetzeskraft – müssen Sie das sogar wissen. Denn die Maschinenrichtlinie schreibt folgende 3 Schritte vor:



Ich habe hier "in der angegebenen Reihenfolge" fett geschrieben. Das macht deutlich, dass der Konstrukteur der erste ist, der sich um die Sicherheit an der Maschine kümmern muss. Und zwar um die Sicherheit für alle an der Maschine arbeitenden Personen durch Integration der Sicherheit in Konstruktion und Bau der Maschine. Und – ganz wichtig - in diesem ersten Schritt sind noch keine Schutzmaßnahmen erlaubt.


Die Norm bringt dasselbe nochmal etwas griffiger.


· Zuerst bemühe ich mich, so gut es geht um eine inhärent sichere Konstruktion

· Nur wenn ich da nicht weiter komme, behelfe ich mir mit Schutzvorrichtungen

· Und für die kleinen Restgefahren, die dann noch übrig bleiben – aber die müssen wirklich klein sein – kann ich Warnhinweise verwenden


Und wer macht hiervon was im Unternehmen? Die inhärent sichere Konstruktion liegt beim Konstrukteur. Der mechanische Konstrukteur bestimmt, wie scharfkantig ein Messer ist, wieviel Abstand zwischen den Bauteilen ist. Der Elektrokonstrukteur bestimmt, wie schnell sich Bauteile bewegen und mit welcher Kraft. Und erst im nächsten Schritt wird ein Schutz konstruiert. Der oft verwendete Satz, das ist egal, das wird hinterher sowieso verschutzt, ist laut Maschinenrichtlinie – also laut Gesetz - nicht erlaubt.


Die Risikobeurteilung verlangt, dass schon direkt nach der Konstruktion, wenn noch keine Verschutzung an der Maschine ist, erstmalig die Gefahrenstellen an der Maschine bewertet werden. Denn der Konstrukteur bestimmt mit seiner Konstruktion die grundlegende Gefahr, die von der Gefahrenstelle an der Maschine ausgeht. Die Schutzvorrichtung kann dann schützen, also die Gefahr verringern. Aber die Grundlage wird in der Konstruktion gelegt, deshalb muss die Konstruktion wissen, wie das Risiko bestimmt wird. Das geht so weit, dass extrem große Gefahren durch eine Verschutzung nicht ausreichend abgedeckt werden können. Konkret ist es in vielen Maschinenbauunternehmen nur üblich ein Performance-Level d und bei Pneumatik nur ein Performance-Level c elektrisch zu verschalten. Aber wenn das bei Ihnen so ist, muss auch der mechanische Konstrukteur wissen, was das genau bedeutet.

Der richtige Satz lautet deshalb, das ist, wenn man diese Funktion erreichen will, nicht anders sinnvoll machbar. Das müssen wir verschutzen.


Es ist anstrebenswert eine Maschine nicht vollständig zu verschutzen. Nur die Stellen, bei denen keine sichere Konstruktion möglich ist, sollen verschutzt werden. Das hat in dem Beispiel den Vorteil, dass man während des Maschinenbetriebs Artikel auflegen kann. Es hat den Nachteil, dass die Konstruktion sicher genug sein muss, um dies verantworten zu können. Hier ist die Verantwortung der Konstruktion sehr deutlich zu erkennen. Insbesondere dann, wenn Sie große Probleme mit Manipulationen an Ihrer Maschine haben, müssen Sie überlegen, ob Sie nicht zu viel verschutzt haben und nicht mehr Überlegungen in ausreichend sichere Konstruktion stecken müssten.

Laut Maschinenrichtlinie soll erst dann verschutzt werden, wenn die inhärent sicher Konstruktion nicht möglich ist – was oft genug der Fall ist.


Wenn verschutzt wird, dann können feststehende trennende Schutzvorrichtungen oder bewegliche trennende Schutzvorrichtungen verwendet werden. Ab wann man bewegliche verwenden muss, finden Sie auf meiner Website. Und an jede bewegliche trennende Schutzeinrichtung muss natürlich ein Sicherheitsschalter. Dazu muss festgelegt werden, was alles stillgesetzt werden soll, wenn die Schutzhaube geöffnet wird. Die erste Antwort die ich dazu höre, ist meist "alles", aber bei genauerem Nachdenken fallen einem genügend Ausnahmen ein, die zu berücksichtigen sind. In den meisten Unternehmen treffen diese Entscheidungen die Elektrokonstrukteure allein. Aber eigentlich weiß der Mechanik-Konstrukteur viel genauer, wie gefährlich bestimmte Stellen sind. Deshalb sollten sich beide zusammensetzen und eine Sicherheitsmatrix ausfüllen, anhand der der Elektro-Konstrukteur dann die Maschine programmiert.


Und am besten nimmt man da dann den CE-Beauftragten gleich mit dazu, denn der hat einen echt schwierigen Job. Er soll in die Risikobeurteilung schreiben, was sich die Konstrukteure gedacht haben. Im Allgemeinen schreibt er – und auch ich tue das oft – das auf, was er glaubt, was die Konstrukteure sich gedacht haben könnten. Eigentlich müssten die Konstrukteure die Risikobeurteilung schreiben, aber das geht leider nicht, weil sie zu umfangreich ist und es zu viel Zeit kostet, sie auszufüllen. Deshalb diese Arbeitsteilung und alle Probleme, die diese mit sich bringt. Deshalb müssen CE-Beauftragte sehr kommunikative Menschen sein und werden von manchen Mitarbeitern als nervig empfunden. Und nebenbei muss der CE-Beauftragte darauf achten, dass die Probleme die sich bei einer Maschine gezeigt haben, auch bei der nächsten Maschine Beachtung finden und dort dann auf dem richtigen Weg, nämlich schon während der Konstruktion gelöst werden. Und wenn wir in den nächsten Videos über die Risikobeurteilung sprechen und Sie diese Videos vielleicht gemeinsam mit Kollegen anschauen, werden Sie merken, dass man durchaus unterschiedlicher Meinung sein kann, was die Bewertung der Gefahrenstellen betrifft. Hier muss der CE-Beauftragte ausgleichend wirken, damit das Unternehmen eine Risikobeurteilung für seine Maschinen nach außen gibt und nicht je nach Konstrukteur unterschiedliche. Und natürlich ist der CE-Beauftragte derjenige, der in den Normen nachliest, denn auch diese Arbeit soll den Konstrukteuren abgenommen werden.


Insgesamt verlangt das wirklich sinnvolle Schreiben der Risikobeurteilung viel Kommunikation zwischen der mechanischen Konstruktion, der Elektrokonstruktion und dem CE-Beauftragten und das funktioniert am Besten, wenn alle mit denselben Worten sprechen und dies soll hier erreicht werden, indem sich alle Konstrukteure ein Grundwissen zur Risikobeurteilung aneignen.


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